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Kaffeerösterei im Südharz

Erste Kaffeerösterei im Südharz

Eine naheliegende Idee war im Jahr 2008 geboren. Neben einen Café würde sich eine Kaffeerösterei gut machen. Gesagt getan. Mark Schnibbe eröffnete in der Brauhardtgasse in Bad Lauterberg die „Erste Kaffeerösterei im Südharz“.

Bio-Qualität aus allen Teilen der Welt, frisch angelandet aus Hamburg, werden in Bad Lauterberg frisch geröstet.

https://www.schnibbe-kaffee.de

Aktuell, wird das Lux-Projekt des Nationalpark Harz mit einer eingenen Kaffeesorte unterstützt.

http://www.harzer-kaffeeroesterei.de/

 

 

Nichts zu melden

[Von Wolfgang Uchatius, aus dem SZ-Magazin Nr. 33 vom 20.08.99]

Wenn Sie keine Fernsehgebühren zahlen, bekommen Sie schnell ein Problem mit der GEZ in Köln. Allerdings nur ein kleines. Gegen hartnäckiges Schwarzseher ist die Behörde praktisch machtlos.

Die GEZ sagt: Wir erwischen jeden. Zum Beispiel Robert Schuster aus Hamburg. Der ist Student der Soziologie, bis vor einem Jahr war er außerdem noch Schwarzseher. Sogar einer, der sich für besonders schlau hielt. Schuster stellte den Fernseher so geschickt in sein Apartment, dass man von draußen das Flimmern nicht sah. Trotzdem bekam er eines Tages einen Brief. Auf dem standen das Kürzel GEZ und die Aufforderung, „vorhandene Rundfunkgeräte“ anzumelden.

Schuster warf den Brief in den Papierkorb und freute sich über das gesparte Geld. Beim Abendessen schaltete er den Fernseher ein und beim Frühstück das Radio. Bis eines Tages ein älterer Herr vor der Tür stand und ihm den Appetit verdarb. Der hatte einen Dienstausweis des Norddeutschen Rundfunks in der Hand und sagte mit freundlichen Lächeln: „Einer unserer Peilwagen hat Ihren Fernseher geortet.“ Da gab Robert Schuster auf. Für vier Jahre musste er Gebühren nachzahlen, rund 1400 Mark. „Die waren mir über“, sagt er – unter der Bedingung, dass sein tatsächlicher Name nicht genannt wird. Wäre ihm sonst peinlich.

Und die GEZ? Die schweigt. Erstens wegen des Datenschutzes und zweitens, weil sie es nicht nötig hat. Für sie war Schuster nur einer von rund drei Millionen Neuanmeldern des Jahres 1998. Nichts Besonders also. Denn die GEZ erwischt jeden.

Oder doch nicht? Die GEZ, die „Gebühreneinzugszentrale“, ist eine der geheimnisvollsten deutschen Behörden. Über die GEZ reden, heißt über Ominöses sprechen. Über Agenten zum Beispiel, die nach Adressen von Schwarzsehern suchen. Über graue Lieferwagen mit Antennen auf dem Dach, die noch durch die dickste Wand jeden Rundfunkapparat einpeilen können. Über Fernsehtechniker, die den Kabelanschluss kontrollieren wollen, und sich – kaum stehen sie vor dem Bildschirm – als Gebührenfahnder entpuppen. Oder darüber, dass das alles Quatsch ist und die GEZ eine ganz normale Behörde mit genau geregelten Kompetenzen.

Aber was ist die Wahrheit? Die Wahrheit ist zunächst einmal, dass es die GEZ deshalb gibt, weil Fernsehen anders ist als Kino. Ins Kino darf man nur mit Eintrittskarte. Zum Tatort und in den Marienhof kommen auch diejenigen, die einen Fernseher haben, aber kein Teilnehmerkonto. Für ARD und ZDF ist das ein Problem, denn die öffentlichen-rechtlichen Sender finanzieren sich zu achtzig Prozent aus Gebühren. Damit ihnen nicht das Geld ausgeht, gründeten sie 1973 eine Gebührenzentrale. Die soll dafür sorgen, dass sich niemand in die erste Reihe setzt, ohne zu zahlen. 28,45 Mark im Monat ist zur Zeit der gültige Tarif. 9,45 Mark für diejenigen, die nur ein Radio haben, aber keinen Fernseher.

Das GEZ-Haus in Köln-Bocklemünd ist ein beigefarbenes, etwas verwinkeltes Gebilde mit abgerundeten Ecken und brauen Rolladenfassungen. Das Landratsamt in Fürstenfeldbrück sieht von außen ganz ähnlich aus, wie eine Behörde eben. Drinnen (im GEZ-Haus) sitzt der Geschäftsführer Dieter Steinbauer und stellt richtig: Die GEZ ist gar keine Behörde. Denn sie gehört nicht dem Staat, sondern den Rundfunkanstalten. „Wir sind quasi deren interne Dienstleister.“ Mit dem Auftrag, den Verkauf einer Ware zu kontrollieren, die Rundfunk heißt. Und dem Ziel minimaler Kosten bei möglichst hohem Ertrag. Der Ertrag, das sind die Gebühren.

Daran arbeiten im GEZ-Haus achthundert Angestellt, vor allem Frauen, immer fünfzig bis sechzig in bienenwabenförmigen Großraumbüros, die auf grünem Teppichboden stehen, und lesen Briefe. Ziemlich viele Briefe. Die GEZ bekommt im Schnitt 50 000 am Tag, zwei Lieferwagen voll, das Postaufkommen einer mittleren Kleinstadt. Jeder Brief läuft über ein Rollband auf eine plastikverkleidete Maschine zu und kommt dort unters Messer. Klack, klack wir der aufgeschlitzt, der Mensch muss nur noch den Inhalt entnehmen und weiterleiten, ein Stockwerk höher, zu den Sachbearbeiterinnen. Sie bearbeiten Schreiben mit und ohne Anlage, Formbrief – und Neuanmeldungen. Fast zwei Drittel kommen freiwillig. Das ist der erste Teil der Wahrheit.

Der zweite ist: Die Bereitschaft, für den Rundfunkempfang zu zahlen, sinkt. Zu Beginn der neunziger Jahre lag die Zahl der freiwilligen Anmeldungen noch deutlich höher als die der den 800 000 TV-Geräte freiwillig angemeldet, 1 250 000 abgemeldet. Das waren 450 000 mehr Ab- als Anmeldungen. „Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage und vor allem der gesellschaftlichen Individualisierung“, sagt Dieter Steinbauer. Der Gedanke der Solidargemeinschaft, der gemeinsamen Bezahlung einer gemeinsam empfangenen Leistung, kommt aus der Mode. Bei der GEZ könnten sich Soziologen die Daten zum Wertewandel holen. Auf der Schwäbischen Alb, so Steinbauer, sei „das Teilnehmerpotenzial noch immer zu hundert Prozent ausgeschöpft“. Offizielle Zahlen rückt die GEZ nicht raus, aber in manchen Großstadtvierteln – wie in Berlin Kreuzberg – soll schon jeder fünfte Haushalt schwarzsehen. „Diese Rundfunkteilnehmer sprechen wir durch forcierte Maßnahmen an“, sagt Steinbauer.

Auch das Forcieren ist Dach der Sachbearbeiterinnen. Zumindest zum Teil. Die schreiben an die Schwarzseher Briefe, wie der Student Robert Schuster einen bekommen hat. Dafür geben sie einen Namen ein und eine Anschrift. In einem anderem Raum der GEZ-Hauses rattert dann ein Drucker, eine meterdicke Papierrolle dreht sich ein Stück weiter, ein Standartbrief wird gedruckt, geschnitten, gefalzt, kuvertiert und nach Postleitzahlen einsortiert. Die Sachbearbeiterin schreibt inzwischen schon am nächsten Brief. Ein Zettel an der Wand sagt, dass sie beider Arbeit sei und nicht der Flucht. Nicht sehr ominös, das alles. Oder doch? Woher weiß die GEZ überhaupt, wo die Schwarzseher wohnen?

Sie findet es durch ein paar Kniffe heraus. Zum einen holt sie sich die Namen und Anschriften aus Telefonbüchern oder kauft sie von professionellen Adresshändlern – wie private Firmen, die neue Kunden suchen. Die Namen vergleicht sie mit den Namen der 38 Millionen angemeldeten Teilnehmern auf ihrer Festplatten. Wer nicht gespeichert ist, ist potenzieller Schwarzseher – und wird schriftlich dazu aufgefordert, seinen Apparat anzumelden. Das ist der nächste Teil der Wahrheit.

In einen allerdings unterscheidet sich die GEZ von privaten Unternehmen: Sie erhält Jagdhilfe von den Einwohnermeldeämtern. Name, Anschrift und Geburtsdatum jeder an- oder abgemeldeten Person gehen bei der GEZ ein – trotz Bedenken der Datenschutzbeauftragten der Bundesländern. Lediglich Sachse, Sachsen-Anhalt und Thüringen halten die Daten zurück. Der GEZ kann also nur entgeben, wer dort hinzieht. Für alle übrigen gilt: Wer sich selbst anmeldet, aber keinen Fernseher, bekommt früher oder später einen Brief von der GEZ. Im vergangenem Jahr waren es 5,2 Millionen Leute. Rund jeder fünfte meldete daraufhin sein Gerät an. Das heißt aber auch: Vier von fünf potenziellen Schwarzsehern ignorieren die Post aus Köln.

Aus der Sicht eines notorischen Gebührensparers keine schlechte Strategie: Wer auf die Briefe nicht reagiert, bekommt nämlich keine mehr. Zunächst die Erstaufforderung, nach acht Wochen ein Erinnerungsschreiben, nach weiteren acht noch eins, dann ist Schluss. Hat sich ein Teilnehmer danach nicht angemeldet, werden seine Daten gelöscht und er hört nichts mehr von der GEZ. Jedenfalls nicht schriftlich.

Dafür vielleicht persönlich, denn jetzt kommen die Gebührenfahnder ins Spiel. Rund tausend freiberufliche Kontrolleure beschäftigen die Rundfunkanstalten bundesweit – unter dem harmlos klingenden Namen Gebührenbeauftragte. Wie die arbeiten, beschreibt die GEZ in eine Werbespot, der Ende vergangenen Jahres in den Kinos lief. Oder vielmehr, sie beschreibt es nicht. Es sei nämlich falsch, heißt es im Spot, das die Fahnder Schwarzseher überführen, indem die Prämien an Denunzianten zahlen oder im Altpapier nach TV-Zeitschriften suchen. „Wahr ist allein, dass wir früher oder später jeden erwischen.“ Sagt die GEZ.

„Wahr ist, dass Beauftragten eigentlich keine Chance haben.“ Sagt Manfred Reimer. Reimer sollte die Wahrheit kennen, denn er spricht aus Erfahrung. Seit etlichen Jahren schon arbeitet er als selbstständiger Gebührenbeauftragter für den WDR. Jetzt sitzt er zu Hause auf der Couch und zeigt ein Stück Papier, das aussieht wie ein Flugticket: eine sogenannte Teilnehmerkarte, gedruckt auf den Druckern der GEZ. Auf der Karte stehen die Daten eines ordnungsgemäß angemeldeten Fernsehteilnehmers: Vorname, Nachname, Anschrift, Geburtsdatum und einiges mehr. Mehrere zehntausend solcher Karten hat Reiner schon in Händen gehabt. Mit den Karten, sortiert nach Straßen, geht er in seinem etwa 100 000 Haushalte umfassenden Bezirk von Tür zu Tür und liest Namensschilder. Sieht er einen Namen, zu dem er keine Karte findet, hat er einen potenziellen Schwarzseher gefunden. Er läutet, und wenn jemand die Tür öffnet, beginnt das, was Herr Reiner das „Bluffen und Einschüchtern“ nennt.

Reimer ist auf Tricks angewiesen, denn die im Grundgesetzt garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung wiegt schwerer als der Gebührenanspruch der ARD und ZDF. Die Wahrheit ist, dass Gebührenfahnder kaum besser dastehen als Zeitschriftendrücker. Niemand muss sie in die Wohnung lassen. Niemand ist verpflichtet, ihnen zu sagen, ob er ein Rundfunkgerät besitzt oder nicht. Manfred Reimer ist so etwas wie ein Eisenbahnschaffner, der Fahrkarten kontrollieren soll, dem aber keiner sein Ticket zeigen muss. Selbst wenn im Wohnzimmer der Fernseher lärmt, braucht das den Schwarzseher wenig zu stören. Zwar können die Sender laut Rundfunkgebührenstaatsvertrag gerichtlich eine Auskunft erzwingen, wenn „tatsächlich Anhaltspunkte“ bestehen, dass jemand unangemeldete Geräte besitzt. Jedoch machen die davon praktisch keinen gebrauch. Zu aufwendig sind die Prozesse, zu gering der Streitwert.

Wenn Manfred Reimer mit seinen Karten durch die Straßen zieht und nach den Namensschildern an den Türen sucht, dann hat er auch Informationen, die er eigentlich nicht für seine Arbeit bräuchte. Von Herrn Müller aus Nordrhein-Westfalen zum Beispiel weiß er, dass dieser seine Rundfunkgebühr per Lastschriftverfahren zahlt, denn auf der Teilnehmerkarte steht auch die Bankverbindung. Ist Herr Müller wegen mangelnden Einkommens oder einer Schwerbehinderung von den Gebühren befreit, so ist auch dies vermerkt. Aber was gehen die Kontonummer und die finanziellen oder gesundheitlichen Situation des ordnungsgemäß angemeldeten Rundfunkteilnehmers Müller jemanden wie Manfred Reimer an?

Das fragte sich auch Danny Brees, Mitglied im WDR-Rundfunkrat. Er wandte sich an den WDR-Datenschutzbeauftragten Thomas Drescher. Dieser habe sich erstaunt gezeigt und zugesichert, er werde die Sache prüfen. Eigentlich müsste Drescher auch ohne Prüfung Bescheid wissen. Er war früher oberster Chef der WDR-Gebührenfahnder.

Solche Laufbahnen sind möglich, weil die Landesrundfunkanstalten für den Datenschutz im eigenem Haus zuständig sind. Diese Regelung soll Außenstehenden den Zugang zu Personendaten verwehren, um die journalistische Unabhängigkeit der Mitarbeiter zu wahren. Die Sender lassen sich aber auch sonst nicht gern über die Schulter schauen, zum Beispiel, wenn sie – Ausnahmen sind Berlin, Bremen und Hessen – ihrem Gebührenfahnder die Daten der zahlenden Rundfunkteilnehmer zur Verfügung stellen. Der Berliner Datenschutzbeauftragte Hansjürgen Garstka sieht da ein Problem: Vorbehaltlich einer genaueren Prüfung schienen ihm für die Suche nach Schwarzsehern weder die Kontonummer noch Angaben zur Gebührenbefreiung erforderlich zu sein.

Wenn die genauere Prüfung abgeschlossen ist, sind die Karten die Arbeitsbasis von Gebührenfahndern wie Manfred Reimer. Der hat jedoch gerade andere Sorgen: Wenn niemand ihn hereinlässt, wird er von niemanden bezahlt. Geld bekommt er nur, wenn er Schwarzseher erwischt. Die Fahnder sind nämlich nicht Angestellte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, sondern selbstständige Kleinunternehmer – wie Zeitschriftendrücker eben. Dadurch sparen sich die Sender Urlaubsgeld und Sozialabgaben. Der WDR etwa zahlt dem Fahnder für jeden dank seiner Mitwirkung neu angemeldeten Fernseher rund 55 Mark, für ein Radio rund 25 Mark.

Also bluffen und einschüchtern. Jeder Beauftragte, so Reimer, habe seine eigene Methode. Manche spielten sich auf, als wären sie Polizisten mit Durchsuchungsbefehl, andere erzählten eben das Märchen vom Peilwagen – wie der Gebührenfahnder, der Robert Schuster besuchte. In Wahrheit gibt es keine Peilwagen. Das heißt, es gibt sie schon, aber sie gehören nicht den Rundfunkanstalten, sondern der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post. Und die sucht damit nicht nach Schwarzsehern, sondern nach elektromagnetischen Störfeldern.

Bei manchen Leuten braucht es gar keine Märchen. Die wollen sich nicht drücken, sondern haben die Anmeldung lediglich verbummelt. Erinnert sie ein Brief der GEZ an die Gebühr, ist die Sache mit der Neuanmeldung erledigt. Ist es jedoch der Fahnder, werden Nachgebühren fällig. Der Beauftragte fragte sie dann, wie lange sie den Fernseher schon haben. Manfred Reimer: „Der Brave oder Eingeschüchterte sagt wahrheitsgemäß: drei Jahre, und muss tausend Mark Nachgebühren zahlen. Der Schlaue sagt: Seit gestern. Und kommt gratis davon.“

Ehrlichkeit wird bestraft, Frechheit belohnt. Das kommt nicht von ungefähr. Der Einzug der Rundfunkgebühren geschieht in einer rechtlichen Grauzone, in der immer einer der Dumme ist – entweder der Fernsehzuschauer, der pflichtgemäß seine Gebühren zahlt, während sich sein Nachbar das Geld spart. Oder der Gebührenfahnder, der nicht weiß, wie er seine Familie ernähren soll, wenn er auf Tricks verzichtet.

Sechshundert Fernseher und neunhundert Radios muss ein Beauftragter des WDR jedes Jahr anmelden, um die volle Provision zu kassieren. Wer zu weit unter Soll liegt, muss mit der Kündigung rechnen. Wer über Einzelheiten seines Jobs mit der Presse spricht, auch – sagt Manfred Reimer, der in Wahrheit anders heißt. Als Fahnder gehört er schließlich zu dem kleinen Kreis derer, die es zutiefst bedauern würden, wenn sie jemand von den Rundfunkgebühren befreite.

Mit freundlicher Genehmigung der Süddeutschen Zeitung!

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